Wie kann man seine Ängste und negativen Emotionen überwinden, wenn der Partner jemand anderen datet?

Ich bin ehrlich geschockt, lasse mir aber nichts anmerken. In mir versuche ich nachzubilden, wie ich jetzt in diese Situation gekommen bin.

Letzte Woche Donnerstag gab es einen Hinweis, den ich sehenden Auges ignorierte. Es ist das erste Mal 2024, dass mein Mann wieder auf Dienstreise gegangen ist. Magdeburg ist zwar nicht weit weg, dennoch aber zu weit, um nach Feierabend noch nach Hause zu fahren. „Ich könnte eigentlich auch mal gucken, was hier bei Tinder so zu finden ist“ schreibt mein Partner mir beiläufig per Whatsapp. Ich nehme ihn nicht ernst und schreibe: „Frauen mit zweifarbigen Frisuren wahrscheinlich.“ Bevor ich in meinem Inneren der Frage nachgehen kann, wie ich seinen Wunsch im Exil eine andere zu daten finde, gibt er scheinbar „Entwarnung“. „Wahrscheinlich. Aber nach Feierabend hätte ich eh keine Zeit und Lust.“

Der Alltag hält Einzug

Wie in jeder Beziehung gibt es bei uns auch Aufs und Abs. Mal daten wir beide andere Menschen, mal gehen wir in einen Club und manchmal ist nur einer von uns außerhalb der Beziehung aktiv.

Seit dem Herbst 2023 allerdings war bei uns die Winterruhe eingekehrt. Mein Mann betreute Projekte in Wohnortnähe und kam so jeden Abend heim. Es gab viel zu erledigen und so störte es uns nicht. Wir fühlten uns verbunden und nah.

Im Januar wurde das Gefühl allerdings allmählig fade. Er bediente nur kleinere Aufträge, während ich die ganze Zeit von zu Hause arbeitete. Wir setzten einige Projekte an unserem Heim um und waren ein „gutes Team“.

Das „gute Team“

Da hätten meine Alarmglocken eigentlich schon angehen müssen. Wer mich kennt, weiß, dass ich den Ausspruch „Wir sind ein gutes Team“ vor allem bei den Menschen zu finden glaube, die keinen erfüllenden Sex mehr haben.

Und genauso war es auch bei uns. Der Alltag nagte an uns, wie der Zahn der Zeit an einem Gebäude. Wir nahmen uns viel für den Tag vor und waren dann abends zu müde, um uns für die Lust zu motivieren. Stattdessen blieben wir bis in die späte Nacht vor dem TV sitzen und guckten Serien. Küssen und Kuscheln wichen den schnöden täglichen Aufgaben und obwohl wir mit unserer Zeit auch hätten besseres anfangen können, hatten wir den Eindruck, dass unsere Projekte den ganzen Tag einnehmen sollten. Dazu kam dann, dass ich 10 Tage an einem Seminar teilnahm und von morgens bis abends unterwegs war. Der Haushalt lag in weiten Teilen brach und musste danach wieder aufgearbeitet werden.

Das Schrillen der Alarmglocken

 „Ich habe übrigens ein Match bei Bumble- die ist ganz interessant. Die kommt wahrscheinlich nächste Woche zu mir in die Unterkunft.“

In dem Moment, wo er mir das am Freitag sagt, weiß ich nicht, wie ich reagieren soll. Ich wende mich ab, um meine Gesichtsentgleisung zu kaschieren. Ich hatte es am Tag zuvor so verstanden, dass er eigentlich weder Lust noch Zeit fände, sich nach Feierabend mit jemanden zu treffen. Seine Bedürfnisse hatte ich nicht auf dem Radar. Wobei ich schon zugeben muss, dass ich seinen Wunsch nach Abwechslung heruntergespielte. Und nur ein lauwarmes „Wir machen uns ein gemütliches Wochenende. Ich könnte dich ja massieren oder wir gehen in die Sauna.“  bot ich an, statt zu fragen, was er sich wirklich wünschte.

Der Alltag hatte mich kurzsichtig gemacht. Ich trug eine Brille mit aschenbecherdicken Gläsern, durch die ich nicht hinausblicken konnte. Dafür war mein Gehör nun von dem lauten Schrillen der Alarmglocken wachgerüttelt worden.

Typische Ängste, wenn sich der Partner alleine mit anderen trifft

Wenn sich ein Partner außerhalb der Beziehung vergnügt, kommen meist unweigerlich alle bedrohlichen Szenarien heraus, die wir bisher erfolgreich verdrängten.

Vielleicht ist der andere Mensch besser im Bett und beherrscht andere Techniken. Möglicherweise ist er/sie körperlich attraktiver und fühlt sich besser an. Fotos von der Affäre machen die Sache nicht besser, sondern schüren die Gefühle des Selbstzweifels.

Und noch schlimmer: Was ist, wenn sich mein Partner in den anderen Menschen verliebt? Davor ist doch nun wirklich niemand gefeit. Er konnte sich in mich verlieben also kann das auch bei anderen Frauen passieren. Dieser Gedanke lässt mich ohnmächtig und hilflos fühlen.

Meine Gefühle überwältigen mich beinahe. Plötzlich steht meine ganze Welt Kopf. Und dabei ist es nicht das erste Mal, dass sich einer von uns mit anderen trifft, sondern es ist nur länger her.

Ich empfehle euch, auch wenn die Regeln schon lange etabliert sind: sprecht mit eurem Partner bei jeder neuen Situation ab, ob alle Vereinbarungen noch aktuell sind und achtet dabei vor allem auf die Kongruenz in der Körpersprache! Auch wenn der Mund „Ja“ sagt, muss das im Inneren nicht stimmen. Manche Menschen sind unsicher und sagen eher ja als nein, wenn sie noch nicht wissen, ob sie es wollen. Später kann einem das böse auf die Füße fallen.

12 Tipps und meine Strategie

Gerne zeige ich dir meine Strategie, wie ich so eine herausfordernde Situation überstehe, wenn mein Partner alleine loszieht. Dabei erhebe ich weder den Anspruch, dass das für jeden Menschen so zu lösen ist, noch dass es nicht auch noch andere gut funktionierende Strategien gibt. Schreib mir gerne, wenn du weitere gute Tipps hast. Ich möchte verschiedene Möglichkeiten zeigen und Menschen anregen auszuprobieren, was für sie das Passende ist.

1. Geh in die Vogelperspektive

Was würde man beobachten können, wenn man euch nur auf einer Leinwand wie in einem Film sehen könnte? Wer tut was und wann? Wenn man die Emotionen und Bewertungen weglässt, was ist dann noch übrig?

Zuallererst versuche ich die Sache objektiv zu betrachten. Worum geht es hier eigentlich?

Dabei muss ich feststellen, dass ich im letzten Jahr 2 Datingpartner hatte, während er auf zwei erfolglose Versuche zurückblicken kann.  Die eine Frau ließ ihn kaum zu Wort kommen und mit der anderen kam kein richtiges Gespräch zustande.

Im Alltag waren wir zu einer Einheit verschmolzen, bei der die eigenen Bedürfnisse dem gemeinschaftlichen Ziel platz machen mussten. Als endlich der Montag seiner Abreise gekommen war, hat sich ein Teil in mir sehr gefreut. In dem Moment konnte ich nicht sagen, wieso. Dennoch fühlte es sich so unglaublich frei an. Nun waren wir jeder wieder für sich.

Objektiv betrachtet verstand ich, dass er endlich seine Bedürfnisse wieder spüren konnte – so wie ich auch. Er kommunizierte es offen und ehrlich und daran gab es nichts Falsches. Zu jeder Zeit hätte ich auch ein Veto einlegen können.

2. Schätze eure Beziehungsqualität ein

Wie bewertest du die Qualität eurer Beziehung? Seid ihr glücklich miteinander? Gab es in letzter Zeit tiefgehende Verletzungen? Habt ihr gemeinsame Ziele? Könnt ihr offen miteinander über eure Bedürfnisse sprechen? Hast du das Gefühl, dass dein Partner dir nie widerspricht und dir in allem zustimmt?

Wir verfolgen noch viele gemeinsame Ziele und tauschen uns gerne über unsere Ideen und Bedürfnisse aus. Natürlich gibt es bei uns Konflikte oder auch mal einen handfesten Streit. Aber es gelingt uns immer mehr, unsere Bedürfnisse zu kommunizieren und uns aufrichtig zu entschuldigen, wenn wir den anderen verletzten. Jeder äußert seine Meinung, auch wenn sie dem anderen Partner nicht gefällt.

Bei den Überlegungen kam ich zu dem Schluss, dass unsere Basis – unsere Beziehungsqualität noch auf dem richtigen Kurs ist.

3. Check deine Unabhängigkeit

Was würde passieren, wenn dein Partner sich tatsächlich unsterblich in jemand anderen verliebt? Bist du dann auch alleine lebensfähig? Hast du deine eigene Einnahmequelle? Könntest du die Kinder/Hunde/was auch immer allein versorgen? Was wäre der absolute Worst-Case?

Unabhängigkeit war eine der wichtigsten Dinge, die mein Papa mich beizeiten gelehrt hat. Auch wenn ich vermutlich sehr traurig wäre, wenn die Beziehung enden würde:

Ich würde es überleben.

Dieser Gedanke leitet direkt in meinen nächsten Tipp über.

4. Vertraue in eine höhere Instanz

Gib deine Sorgen und Ängste an eine höhere Instanz ab: manchen nennen es Gott, Universum oder was auch immer. Stell dir vor, dass alles, was immer geschieht, zu deinem besten sein wird. Alles, was du frei gibst, wird zu dir zurückkommen, wenn es wirklich zu dir gehört. Vertraue in den größeren Plan!

Wenn man etwas Unkontrollierbares beherrschen will, sträubt es sich nur noch umso mehr. Dieses Prinzip entdecke ich in unterschiedlichen Zusammenhängen. Sucht man verzweifelt nach einem Partner, findet sich keiner. Doch lassen wir den Wunsch los, kommt das Geschenk wie von selbst zu uns zurück.

Zerren wir an unserem Partner und zwingen ihn durch unser Verhalten zur Treue und zur Unterdrückung seines Bedürfnisses, so werden wir anfangs beobachten können, dass er sich daranhält. Doch macht unser Schatz das nicht aus freien Stücken, sondern aus Angst den Partner zu verlieren.

Ich habe meinen Mann schon öfter gehen lassen und bisher war meine Erfahrung immer dieselbe: Er wusste mich und meine Vorzüge noch mehr zu schätzen. Würde ich ihn zwingen, würde er mich irgendwann vermutlich dafür verachten oder hassen, dass ich ihn in seinen Bedürfnissen begrenze.  

5. Prüfe deine innere Balance

Wie zufrieden bist du mit dir und deinem Aussehen? Welchen Anteil leistest du in der Beziehung? Wie sehr achtest und spürst du deine eigenen Bedürfnisse? Worum geht es wirklich, wenn du eifersüchtig bist?

Grauer Wollpulli und gemütliche Jogginghose – ich hatte mich in den letzten Monaten gehen lassen! Müde vom Alltag machte ich mich nur noch zurecht, wenn ich Kundenkontakt hatte oder ausging. Auch im Bett zeigte ich immer weniger Initiative, gab mich schnell mit der Standardnummer zufrieden und lag lieber auf der Couch als unter ihm.

Die neue Situation machte meine innere Dysbalance mit einem für mich erschreckenden Schlag sichtbar. Statt nun mit Verboten, Regeln und Ablehnung zu reagieren, fragte ich mich, wie ich meine innere Balance wieder herstellen könnte.

Ich vertrete die Haltung, dass wir für unseren Partner ein Geschenk sein sollten. Sich hübsch zu verpacken, sich ehrlich zu interessieren und auf den anderen zu achten, gehört für mich selbstverständlich dazu.

Nur hatte ich den Kontakt zu mir selbst schleifen lassen, gönnte mir zu wenig Pausen und verlor mich in der Zweisamkeit. Da das ein schleichender Prozess war, hatte ich ihn nicht wahrgenommen.

Zeit also ins Handeln zu kommen. Ich betrachtete mich im Spiegel und traf die Entscheidung, mich wieder mehr um mich zu kümmern. Sollte dann trotzdem der Worst-Case eintreffen, wäre ich auf jeden Fall besser gerüstet, als wenn mein Selbstbewusstsein am Bode läge.

6. Dossiere die Details

Übernimm die Verantwortung für deine Emotionen! Wie viele Details kannst du ertragen, ohne dass dein Kopfkino dir einen realitätsfernen Befürchtungsfilm zeigt?

Ich verbinde mich mit meinem Gefühl und überlege mir genau, ob ich ein Foto von ihr sehen will. Würde mich eine schlanke, junge Schönheit verunsichern, weil ich selbst auf meine Weihnachtspfunde schauen müsste?

Sprich deine Emotionen offen an und gib deinem Partner genau Bescheid, was du wissen möchtest und was lieber nicht. Wenn du die ersten Infos verdaut hast, kannst du dich immer weiter vorwagen. Verkneife dir Spitzen oder verletzende Kommentare.

Meiner Erfahrung nach ist es für die Beziehung von großem Wert, wenn man das Erlebte nach und nach vollständig miteinander teilen kann. Stell dir vor, du erlebst etwas Aufregendes und darfst es dann mit deinem Lieblingsmenschen nicht teilen. Da geht viel Verbundenheit und Vertrauen verloren, weil der Partner den Eindruck gewinnen kann, dass das, was er tut und fühlt falsch ist in deinen Augen und du ihn nicht liebst, wie er/sie ist.

7. Verlasse die Opferrolle

Was ist dein Anteil an der Situation, dass du dich gerade unwohl fühlst? Was hast du bisher ausgeblendet, zugelassen oder vermieden?

Zwar hatten wir kleine Scherze darüber gemacht, dass unser Sexleben verwaist war, dennoch unternahmen wir nichts. „Wir müssten mal wieder“ war der Satz, den wir uns ständig sagten. Ich lies mich gehen und ruhte mich darauf aus, dass es schon wieder besser werden würde. Aber das tut es nicht! Man fühlt sich stärker, wenn man selbstwirksam wird und die Verantwortung übernimmt.

In einer Partnerschaft gibt es Phasen, die wir alle durchlaufen:

Die Anfangsphase, wo wir uns entdecken und kaum von einander lassen können. Gefolgt von der Kennenlernphase, wo sich erste Konflikte zeigen, wir uns streiten und uns wieder versöhnen und uns im Alltag kennenlernen. In der Stabilisierungsphase lieben wir die Nähe und die Vertrautheit. Man hat sich ein festes Fundament gebaut, auf dem die Beziehung fußt. Dazu gehören oft Dinge wie die gemeinsame Wohnsituation, Kinder und Haustiere. Denkt das Paar nun, es wird alles ewig so weiterlaufen, geht es immer mehr zum Alltag über. Impulse von Außen kommen nur noch selten dazu. Im Hamsterrad des Alltags stirbt dann schnell die Leidenschaft, wenn man sich keine Wachstumsimpulse mehr setzt.

8. Differenziere deine Emotionen

Welche Emotion fühlst du? Welche Bewertung gibst du mit rein?

Fühle ich mich wirklich eifersüchtig oder bin ich nur ein bisschen neidisch, weil ich auch gerne mal wieder etwas Aufregendes erleben möchte? Bin ich besorgt oder ängstlich, weil mir in letzter Zeit die Nähe gefehlt hat?

Prüfe, was sich hinter dem diffusen Gefühl verbirgt. Worum geht es eigentlich?

Drück deine Gefühle nicht weg – es ist völlig ok sich in so einer Situation unwohl zu fühlen. Nimm die Emotionen an und betrachte sie mit Neugier. Was versteckt sich dahinter?

9. Meinungen von außen vermeiden

Wenn uns ein Thema in unserem Kopf routiert, suchen wir nach einem Impuls von außen oder möchten unsere Gefühle mit Freunden teilen. Hier möchte ich dich warnen: Besprich so eine Situation nur mit jemandem, der Verständnis für offene Beziehung hat und bestenfalls selbst Erfahrungen dabei sammeln konnte. Vorurteilsfrei und ergebnisoffen sollte der Mensch sein, dem du dich anvertraust, sonst verfolgt der Gesprächspartner nur seine eigenen Ziele oder drückt dir seine Meinung auf.

10. Perspektivwechsel

Wie erginge es dir an der Stelle deines Partners? Wie hast oder würdest du dich verhalten?

Wenn ich einem Date entgegen gehe, bin ich natürlich mit meinen Gedanken oft bei dem, was mich erwarten könnte. Ich möchte meine Aufregung mit meinem Mann teilen und ihm alles erzählen. Sollte ich ihm dann nicht das Gleiche umgekehrt zugestehen?

11. Relation

Setze das Ereignis des Dates in Relation zu der Zeit und der Wichtigkeit. Wie relevant wird dieses Treffen noch in einem Jahr sein? Wie sehr würde es dich stören, wenn du in deiner Balance wärst?

In der Zeit unserer offenen Beziehung habe ich einige Menschen kommen aber eben auch gehen sehen. Manchmal verlor sich das Interesse auf einer Seite, ein anderes Mal änderte sich die Lebenssituation. In Zeiten, wo ich mich selber nicht schön fand, und aus meiner Balance gekommen war, machte es mir etwas aus, wenn mein Mann eine andere Frau begehrte. Aber wenn es mir gut ging, konnte ich gönnerhaft sogar zuschauen und freute mich für ihn. Daher weiß ich, dass ich grundsätzlich kein Problem habe, ihn zu „teilen“.

12. Ablenkung

Wenn du alles gründlich durchdacht hast, dann lass los!

Statt sich immer wieder in einen Film reinzusteigern, in dem all deine Befürchtungen wahr werden, beschäftige deinen Kopf mit etwas Kompliziertem (z. B. die Steuererklärung, ein komplexes Boardgame etc.) oder power dich beim Sport so richtig aus. Wichtig ist nur, dass deine Aufmerksamkeit vollständig auf etwas anderes gerichtet ist. So gewinnst du Abstand und kannst die Situation in der Gänze besser erfassen.

Veto-Recht

Einige Menschen vertreten die Meinung, dass man, wenn man sich unwohl fühlt, von seinem Veto-Recht sofort Gebrauch machen sollte. Veto-Recht bedeutet, dass man seinem Partner signalisiert, dass man das man das Treffen nicht befürwortet. Der andere sollte sich dann nach Möglichkeit zurücknehmen und sich um die Beziehung kümmern. Soweit die Theorie.

In der Praxis beobachte ich allerdings auch andere Fälle, weshalb ich das an dieser Stelle differenziert thematisieren möchte.

Grundsätzlich finde ich es gut, ein Veto-Recht zu besitzen. Es gehört auch zu unseren Grundlagen einer offenen Beziehung. Es bietet Schutz, wo der Partner einen blinden Fleck hat. Beispielsweise gibt es Spielpartner, die sich ihrerseits verlieben und nun alles daransetzen, die Beziehung zu zerstören.

Hat das Gefühl, dass sich der Partner nur noch ins Außen flüchtet, während die eigene Beziehung immer mehr in den Hintergrund tritt, sollte man auch sein Veto einlegen.

Auch wenn man sich wirklich ganz schlecht dabei fühlt, wenn der Partner alleine loszieht, kann man vom Veto Gebrauch machen.

Ich habe aber auch schon gesehen, dass das Veto-Recht als Machtinstrument benutzt wurde, um die Abhängigkeit des einen Partners vom anderen zu demonstrieren. Streng nach dem Motto: Du darfst nur gehen, wenn du dies und das gemacht hast. Für mich ist das Willkür und sollte in einer Partnerschaft auf Augenhöhe nicht vorkommen.

Es wird manchmal auch dafür eingesetzt, sich vor Herausforderungen zu drücken. Frage dich aufrichtig, weshalb du von einem Veto-Recht gebrauch machen willst, bevor du es nutzt.

Warum tut man sich den Stress überhaupt an?

Immer wieder lese ich Kommentare von Menschen im Social Media, wo diese Frage gestellt wird.

Warum öffnet man seine Beziehung für andere Menschen? Reicht der eigene Partner etwa nicht aus? Ist es keine echte Liebe, wenn man noch mit anderen ins Bett gehen will? Warum sollte man das „tolle Team“ für ein bisschen Spaß aufs Spiel setzen?

In der Komfortzone zu verharren, ist wie langsames Sterben.

Es ist aus meiner Sicht völlig normal und nachvollziehbar, dass man sich die Aufregung eines ersten Kennenlernens wünscht, sich selbst und seine Bedürfnisse spüren und befriedigen möchte.

Angst ist kein guter Ratgeber. Bleiben wir nur monogam, um keine Herausforderungen bewältigen zu müssen, schick uns das Leben von sich aus welche. Und glaub mir, die sind noch härter. Nicht umsonst gehen so viele Menschen fremd.

Lassen wir unserem Partner die lange Leine und stellen uns den Herausforderungen, so wachsen wir und die Beziehung intensiviert sich paradoxerweise.

Ich nehme die Bedürfnisse meines Partners und meine eigenen Bedürfnisse wieder als eigenständig wahr. So kann ich mich für ihn freuen und neugierig mit ihm die Unterschiede entdecken. Neue Inspirationen können die Beziehung und die sexuellen Spielarten bereichern, wenn man das gekränkte Ego außen vorlässt.

Darüber hinaus sehe ich es auch als Wachmacher für eingeschlafene Beziehungen. Es ist ein schleichender Prozess, den man von sich aus kaum in Frage stellt. Durch Herausforderungen wird man wieder mit dem Kern der Beziehung verbunden, mit dem, auf was es wirklich ankommt.

Und last but not least: Es ist auch immer wieder eine erneute Entscheidung mit dem Partner freiwillig und aus Liebe zusammen zu bleiben. Wir sind nicht zusammen, weil wir es auch wirtschaftlichen Zwängen oder Gewohnheit zusammenbleiben müssen.

In welchen Situationen sollte man die Beziehung nicht öffnen?

Einmal offen – immer offen? Lasst die Finger von Dogmen!

Gerade die Flexibilität ist es, was eine offene Beziehung erfolgreich macht. Es gibt durchaus Konstellationen, wo ich in jedem Fall dazu rate, die Beziehung, zumindest für eine Zeit lang wieder zu schließen oder gar nicht erst zu öffnen.

Die Basis eurer Beziehung ist nicht stabil?

Das Öffnen einer Beziehung sorgt nicht dafür, dass sie erhalten bleibt oder stabiler wird, wenn das Fundament nicht stimmt. Ganz im Gegenteil! Das ist das Gleiche als würde man mit einem Kind oder einer Heirat die angeknackste Beziehung retten wollen.

Wo liegt der Fokus?

Hast du das Gefühl dein Partner fordert rücksichtslos und einseitig seine Bedürfnisse ein? Kein guter Zeitpunkt, um die Beziehung zu öffnen oder dies zu gestatten. Wird von einer Seite starker Druck ausgeübt oder sogar mit Streit oder gar Beendigung der Beziehung gedroht, so geht es hier um etwas ganz anderes als Abwechslung und Vergnügen! Schildere deinem Partner deinen Eindruck von der Situation und erläutere deine Gefühle und Bedenken. Hinterfrage, worum es eigentlich geht und warum die Öffnung der Beziehung für den Partner so essentiell ist.

Wie stark ist die Belastung für den Partner, der zurückbleibt?

Der Grad zwischen Wachstumsschmerz und bedrohlicher Verletzung ist oft sehr schmal. Behandle deinen Partner mit Rücksicht und setze nicht um jeden Preis durch, jemand anderen zu treffen. Dennoch sollte der Partner aber auch zeigen, dass er an sich und der Verbesserung der Situation arbeitet.

Gab es tiefsitzende Verletzungen, die noch nicht verarbeitet wurden?

Kümmert euch erst darum, dass zwischen euch alles in Ordnung ist. Manchmal drücken wir Konflikte weg, aber sie schwelen noch im Verborgenen. Das Wichtigste bei einer offenen Beziehung sollte immer die Beziehung zum Partner sein. Erst, wenn zwischen euch „reiner Tisch“ ist, solltet ihr euch anderen Menschen zuwenden.

Gibt es Hinweise, dass dein Partner nicht offen kommuniziert?

Dein Partner gibt sich als Single aus, weil man so leichter an einen Spielpartner kommt oder macht anderen Menschen tiefere Gefühle vor um sie leichter ins Bett zubekommen? Ich kenne dieses Verhalten, sowohl von Frauen als auch von Männern, und finde es scheußlich. Wenn dein Partner bereit ist, jemand anderen absichtlich zu hintergehen, muss er sehr bedürftig sein. Ich empfehle dir, deinen Partner zu fragen, worum es hier eigentlich geht. Fehlt da etwas in eurer Beziehung? Hat dein Partner solchen Bedürfnisdruck, dass er zu allen Mittel greift? Kommt ins Gespräch und erforscht vorurteilsfrei, worum es hier eigentlich geht.

Nicht immer ist es leicht, sich selbst zu reflektieren und zu hinterfragen, worum es uns eigentlich geht. Wenn du dich gerade nicht wohl mit so einer Situation fühlst, unterstütze ich dich gerne dabei, deinen Weg zu finden.